Wie wirkt rTMS bei Depressionen?

Bei Patienten mit Depressionen finden sich in verschiedenen Hirnregionen Unter- aber auch Überaktivierungen. 

Der linke Präfrontalkortex (PFC) - wichtig für positive Ziele, aufsuchendes Verhalten, positive Ziele - ist bei Depressionen unteraktiviert. Umgekehrt findet sich häufig eine Überaktivierung des rechten Präfrontalkortex, begleitet von Angst und Vermeidung. 

Eine andere wichtige kortikale Region ist der anteriore zinguläre Kortex (ACC). Er wird mit zahlreichen Funktionen in Verbindung gebracht:  Bewertung und Beurteilung von Handlungen und inneren Zuständen, Steuerung autonomer Funktionen, Regulation der Aufmerksamkeit und Bearbeitung motivational uneindeutiger bzw. konflikthafter Anforderungen.

Bei Depressionen ist der ACC typischerweise unteraktiviert. Die Hypoaktivität im dorsalen ACC führt zu Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit und der Exekutivfunktionen. Die Hypoaktivität im ventralen ACC führt zur Beeinträchtigung des emotionalen Erlebens, des Antriebs, der Entscheidungssicherheit.

Bei Depressionen konnte zudem eine Volumenminderung des Hippokampus nachgewiesen werden, wahrscheinlich als Folge eines erhöhten Kortison-Spiegels bei lang anhaltender Stressreaktion. Daraus ergeben sich Fehlfunktionen des Gedächtnisses aber auch der Steuerung kontextgerechter Emotionen.

Die Amygdala ist bei Depressionen überaktiviert. Zuständig dafür, bedrohliche Reize zu detektieren, führt dies zu einer  Hypersensivität für Negativität und damit auch negativen Affekten bis zu Fluchtreaktion. 

Depressionen können neurobiologisch somit als Fehlregulation kortikaler und subkortikaler Strukturen aufgefasst werden: Unteraktivierung des linken dorsalteralen Präfrontalkortex und des ACC auf der einen Seite und Überaktivierung limbischer Strukturen, insbesondere der Amygdala auf der anderen Seite. All diese Strukturen sind ihrerseits in Regelkreise eingebunden, so dass letztendlich die Symptomatik das ganze Spektrum menschlichen Erlebens betrifft: Antriebsminderung, Konzentrations- und Gedächtnisstörung, Grübeln, Kreisen negativer Gedanken, Angst, Störungen von Schlaf, Appetit und Libido.

Die rTMS erlaubt über eine Stimulierung des linken dorsalteralen Präfrontalkortex eine direkte Einflussnahme auf das Ungleichgewicht von Über- und Unteraktivierung. 

 
Mechanismus rTMS.png
 


Durch die Stimulierung des Stirnhirns der linken Seite profitieren die dort lokalisierten Funktionen des Denkens, die im Rahmen der Depression oft reduziert sind (Konzentration, Gedächtnis, Handlungsplanung, Offenheit für neue Umweltstimuli). Insbesondere findet die Verarbeitung von positiven Emotionen in der linken Hirnhälfte statt. Es kommt hier zu einer Normalisierung des regionalen Erregbarkeits- oder Aktivitätsniveaus durch Induktion neuroplastischer Veränderungen.

Literatur

Mayberg HS. Limbic-cortical dysregulation: A proposed model of depression. J Neuropsychiatry Clan Neurosci 1997 9: 471-481.

Förstl H et al. Neurobiologie psychischer Störungen, Springer 2006.