Neurofeedback erklärt: das SMR-Beta-Frequenzbandtraining

 

In den 1960er Jahren beobachtete Sterman, dass Katzen im EEG eine spezifische Aktivität über dem sensomotorischen Kortex zeigen, wenn sie auf die Möglichkeit warteten, einen Hebel für Futter betätigen zu können. Es handelt sich dabei um den sogenannten sensomotorischen Rhythmus (SMR) mit Frequenzen von 12 – 15 Hz. Als die Katzen das Futter dann nur erhielten, wenn sie diese SMR-Aktivität erzeugten, konnte diese verstärkt werden: das Neurofeedback war geboren.

Durch einen weiteren Zufall wurde entdeckt, dass so trainierte Katzen in anderen Versuchen besser vor epileptischen Anfällen geschützt waren. Das erste Einsatzgebiete beim Menschen war dann auch das SMR-Training zur Behandlung von Epilepsien. Dabei fiel Lubar auf, dass Epilepsiepatienten mit gleichzeitiger Hyperaktivität ruhiger wurden. Es entstand die Idee, das SMR-Training zur Behandlung der ADHS einzusetzen. Noch heute ist die ADHS-Behandlung das wichtigste Einsatzgebiet des Neurofeedbacks und auch das SMR-Training wird weiterhin eingesetzt, wobei in der Regel neben SMR auch Low-Beta (15 -20 Hz) trainiert wird. Es zeigte sich nämlich, dass die “SMR-Aktivität“ im weiteren Sinne von 12 bis 20 Hz reicht und dass eine Verstärkung der Frequenzen von 12 bis 15 Hz auch zu einer Verstärkung der Frequenzen von 15 bis 20 Hz führt und umgekehrt.

Konkret sieht das Training so aus, dass die EEG-Aktivität kontinuierlich gemessen und eine genügend starke SMR-/Low-Beta-Aktivität ‘belohnt’ wird. Dies geschieht in aller Regel dadurch, dass ein Film auf dem Bildschirm besser läuft und der Ton besser hörbar wird. Ist die SMR-Aktivität zu wenig ausgeprägt, so wird diese Belohnung wieder entzogen.

Gleichzeitig wird eine zu starke Aktivität im Theta- und im High-Beta-Bereich ‘inhibiert’, d.h. die SMR-/Low-Beta-Belohnung bleibt aus. Das Feedback-Video läuft also nur, wenn alle Bedingungen erfüllt sind:

Auch wenn die Verstärkung der SMR- und die Low-Beta-Aktivität insgesamt ähnliche Effekte zeigt, wurde schon früh das SMR-Training eher bei Hyperaktivität (ADHS) und das Low-Beta-Training eher bei einem deutlichen Aufmerksamkeitsdefizit (ADS) eingesetzt.

Sterman benutzte in erster Linie eine bipolare Ableitung, wobei die eine Elektrode zwischen F3 und C3 und die andere zwischen C3 und P3 platziert wurde, um die Aktivität über C3 (sensomotorischer Kortex) zu messen.

Lubar platzierte dann die Elektroden in der Mittellinie, d.h. vor und hinter Cz. Dies, weil die häufig bei ADHS gefundene erhöhte Theta-Beta-Ratio über Cz am ausgeprägtesten ist und er davon ausging, dass der ADHS-Symptomatik eine Fehlregulation des mittelliniennahen anterioren Cingulums zugrunde liegt.

Othmer entwickelte dann ein Training, mit dem er gleichzeitig die Aktivität über C3 und C4 trainierte, wobei für beide die Ohren als Referenz dienten. Aus theoretischen Überlegungen wird dabei über C3 Low-Beta-Aktivität und über C4 SMR-Aktivität belohnt: “Aktivierung“ der Aufmerksamkeit linkshemisphärisch und “Beruhigung“ der Hyperaktivität rechtshemisphärisch.

Verwandt mit dem SMR-Beta-Neurofeedback ist das TBR-Neurofeedback. TBR steht für Theta-Beta-Ratio, also das Verhältnis von Theta- zu Beta-Aktivität und wird über Cz gemessen. Eine erhöhte TBR ist dabei ein seit langem verwendeter Neuromarker für eine ADHS.

Ältere Studien zeigten für eine erhöhte TBR eine Sensitivität von bis zu 86% und eine Spezifität von bis zu 98% für das Vorliegen einer ADHS bei 6- bis 30-jährigen. Jüngere Studien zeigen eine geringere Spezifität und Sensitivität, jedoch nach wie vor so hoch, dass die Verwendung der TBR von der Amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) als Unterstützung in der ADHS-Diagnostik anerkannt ist. Es gibt Hinweise, dass die TBR diagnostisch weniger zuverlässig wird, weil sowohl Jugendliche als auch Erwachsene weniger schlafen und bei Müdigkeit die Theta-Aktivität im EEG zunimmt und damit auch die TBR steigt.

Da die TBR ein Verhältnis darstellt, kann eine erhöhte TBR auch durch eine zu geringe Beta-Aktivität bei normaler Theta-Aktivität zustande kommen. Oder die TBR ist normal, weil sowohl die Theta- als auch die Beta-Aktivität zu hoch ist. Komplizierend kommt hinzu, dass eine erhöhte Theta-Aktivität nicht nur bei Müdigkeit, sondern auch bei verstärkter kognitiver Kontrolle vorkommen kann (z.B. Frontal Midline Theta, FMT). So konnte Bluschke zeigen, dass durch die Belohnung von Theta und Beta bessere Resultate erzielte. Es ist also wichtig, nicht ein Standardprotokoll zu verwenden, sondern bei jeder Patientin, jedem Patienten das EEG individuell zu analysieren.


Sterman MB, Howe RC, Macdonald LR. Facilitation of spindle-burst sleep by conditioning of electroencephalographic activity while awake. Science. 20. Februar 1970;167(3921):1146–8.

Lubar JO, Lubar JF. Electroencephalographic biofeedback of SMR and beta for treatment of attention deficit disorders in a clinical setting. Biofeedback Self-Regul. März 1984;9(1):1–23.

Othmer S. et al. EEG Biofeedback: an emerging model for its global efficacy, in Evans, JR., & Abarbanel, A. (Eds.), Introduction to quantitative EEG and Neurofeedback, Academic Press, San Diego, California, 1999, 244-310.p.

Bluschke A, Eggert E, Friedrich J, Jamous R, Prochnow A, Pscherer C, u. a. The Effects of Different Theta and Beta Neurofeedback Training Protocols on Cognitive Control in ADHD. J Cogn Enhanc. Dezember 2022;6(4):463–77.