Behandlung von Long COVID & CFS

Long COVID (Post-Covid-19-Erkrankung) kann die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit betroffener Menschen während Monaten bis Jahren nach der akuten Infektion einschränken. Typischerweise treten anhaltende Erschöpfung, Belastungsintoleranz, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Brain Fog, Lärm- und Lichtempfindlichkeit. Verlust oder Veränderung des Geruchsinns, Schwindel, Gleichgewichts- und Fühlstörungen, Störungen des autonomen Nervensystems und Schmerzen auf. Die Symptome können nach einer anfänglichen Genesung der Covid-19-Episode auftreten, fortbestehen, einen schwankenden Verlauf annehmen oder im Laufe der Zeit zurückkehren und chronifizieren.

Die Extremform von Long COVID kann zu einem Chronic Fatigue Syndrom (CFS) führen mit einer grossen Bandbreite an Schweregraden und Beeinträchtigungen, dies bis zur Bettlägerigkeit und dem Bedarf einer umfassenden Pflege. Zu den Merkmalen gehört eine ausgeprägte Schwäche, Intoleranz gegenüber geringsten Stressoren (körperlich, mental, emotional), orthostatische Intoleranz (Blutdruckabfall beim Aufstehen), Überempfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen, reduzierte Fähigkeit zu sprechen oder zu schlucken, Störungen des Schlafzyklus und diffuse Schmerzen.

 
 

Krankheitsmechanismus von Long COVID & CFS

Zunächst ging man davon aus, dass die Covid-19-Erkrankung in erster Linie eine Erkrankung der Lungen ist. Bald zeigte sich aber, dass das Virus auch zahlreiche andere Organe schädigen kann. Dies dürfte ein wesentlicher Grund für Long COVID sein. Der zugrundeliegende Krankheitsmechanismus ist jedoch weiterhin nicht geklärt. Es existieren verschiedene Annahmen: sich noch immer im Körper befindende Viren (SARS-CoV-2), Fehlregulation des Immunsystems mit oder ohne Reaktivierung z.B. des Epstein-Barr Virus (EBV), Veränderung des Mikrobioms (Mikrooragnismen im Darm und auf der Haut), Störungen der Blutzirkulation und Veränderungen der Signalübertragung im Gehirn.

Kognitive und neurologische Symptome

Ursächlich könnten verschiedene Mechanismen sein: entzündliche Veränderungen im Gehirn, Störungen des Kynureninstoffwechsels (Anhäufung von Kynureninsäure. die wiederum eine Inhibition der Glutamat- und Dopaminfreisetzung im synaptischen Spalt zur Folge hat), Verlust von Nervenzellen (v.a. des Hippokampus, einer für das Gedächtnis wichtigen Struktur) und von Myelin (Isolation von Nervenfasern), welche eine schnellere Signalübermittlung ermöglicht) und auch eine verminderte Durchblutung des Gehirns.

Chronic Fatigue Syndrom

Auch wenn der Krankheitsmechanismus des CFS nicht geklärt ist, so gibt es doch typische Veränderungen, die gemessen werden können: vermindertes Blutvolumen, verformte rote Blutkörperchen und Funktionsstörungen des Immunsystems (verminderte Funktion der natürlichen Killer- und der T-Zellen) und der Mitochondrien.

Allgemeine Behandlung von Long COVD & CFS

Es existiert noch keine spezifische “Long COVID-Therapie”. Die Behandlung orientiert sich an den Symptomen und es kommen verschiedene Methoden und Medikamente zum Einsatz. Die Behandlung von Long COVID und CFS besteht immer aus einer Kombination von Methoden, welche individuell geplant werden muss.

Bei der Behandlung der Fatigue und der Leistungsintoleranz hat das “Pacing” die grösste Bedeutung. Dies bedeutet, die täglichen Aktivitäten sorgfältig zu planen und zu dosieren, um Überanstrengung und Verschlimmerung der Symptome zu vermeiden.

Medikamentösse Behandlungsmethoden bei Long COVID & CFS

Zur Linderung von Fatigue und “Brain Fog” können Antidepressiva und Methylphenidat, zur Behandlung von Schmerzen und neurologischen Symptomen niedrig dosiertes Naltrexon und zur Beruhigung innerer Unruhe Pregabalin oder niedrig dosiert Aripiprazol eingesetzt werden.

Je nach Organ, welches für die Symptome verantwortlich gemacht wird, können zahlreiche andere Behandlungen wichtig sein: Immmunglobuline bei Störung des Immunsystems, Blutverdünner bei Gerinnungsstörung oder auch Betablocker bei Blutdruckregulationsstörung.

Neurostimulation und Closed-Loop-Training bei Long COVID & CFS

Neurostimulation bezieht sich auf die Verwendung elektrischer, magnetischer oder anderer Formen von Energie, um Nervenaktivität gezielt zu stimulieren. Bei der Behandlung von Long COVID und CFS können die repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS) und die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) zum Einsatz kommen:

Repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS)

Bei der repetitiven Transkranielle Magnetstimulation (rTMS) wird mit Hilfe einer Magnetspule ein kurzer elektrischer Strom in der Hirnrinde induziert, welcher seinerseits neuronale Aktivität auslöst. So zuckt z.B. der rechte Daumen, wenn ein einzelner Magnetpuls über der linken motorischen Hirnrinde ausgelöst wird. Wird der Frontallappen (Stirhirn) während 4 bis 5 Wochen täglich mit jeweils vielen tausend Impulsen stimuliert, können langanhaltende Effekte wie eine bessere Konzentration, mehr Antrieb und eine gehobenere Stimmung erreicht werden.

Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)

Wird zwischen zwei auf dem Kopf positionierten Oberflächenelektroden eine niedrige Spannung (wenige Volt) angelegt und damit ein schwacher Strom (wenige mA) induziert, so spricht mach von transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS). Dabei werden keine Nervenzellentladungen ausgelöst wie bei der rTMS, sondern es wird nur die Aktivität einzelner Hirnregionen angeregt oder gehemmt. Die klinisch beobachteten anhaltenden Effekte z.B. bei der Depressionsbehandlung können noch immer nicht gut erklärt werden. Zahlreiche Untersuchungen legen nahe, dass es zu Veränderungen der Freisetzung von Neurotransmittern und Modulation der Neuroplastizität kommt.

"Closed-Loop-Training" ist ein Konzept, das in verschiedenen Bereichen wie Sporttraining, Neurowissenschaften, Psychologie und maschinellem Lernen Anwendung findet. Es bezieht sich auf ein System oder eine Trainingsmethode, bei der kontinuierliches Feedback verwendet wird, um die Leistung oder das Lernen zu verbessern. Neuro- und Biofeedback sind Closed-Loop-Trainings, die die Selbstregulation verbessern und so kognitive Defizite und vegetative Symptome verbessern können.

Neuro- und Biofeedback (NFB/BFB)

Neurofeedback und Biofeedback sind Trainingsmethoden, die darauf beruhen, dass durch die visuelle und auch akustische Rückmeldung (Feedback) physiologischer Messwerte wie EEG-Signalen, Atemrhythmus, Muskelspannung oder auch Schweisssekretion die unbewusste und bewusste Selbstregulation verbessert wird.

Wachheit, Aufmerksamkeit, Emotionen, aber auch Pulsfrequenz oder Blutdruck werden durch Regelkreise gesteuert. Fehlregulationen können zu Konzentrationsstörungen, innerer Unruhe, Unwohlsein, Schmerzen oder einem hohen Blutdruck führen. Das Neurofeedback wird auch als zentrales Biofeedback bezeichnet und basiert darauf, dass dem Gehirn seine eigene Aktivität "gespiegelt" wird. Damit lassen sich Konzentration bei gleichzeitiger Entspannung trainieren, was bei vielen psychiatrischen und psychosomatischen Erkrankungen zu einer Symptomreduktion führt. Man spricht von peripherem Biofeedback oder einfach Biofeedback, wenn z.B. der Atemrhythmus gemessen und zurückgemeldet wird. Damit kann die bewusste Kontrolle physiologischer Prozesse - und damit des vegetativen Nervensystems - trainiert werden, was v.a. zur Behandlung von Stresssymptomen eingesetzt wird.

Literatur

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Altea Long COVD Networtk https://altea-network.com/blog/132-non-invasive-brain-stimulation