"From Strength to Strength: Finding success, happiness and deep purpose in the second half of life” von Arthur C. Brooks
Arthur C. Brooks
"From Strength to Strength: Finding success, happiness and deep purpose in the second half of life”
Ich habe dieses Buch gelesen, weil mich die Idee angesprochen hat, die zweite Lebenshälfte nicht primär als Abstieg, sondern auch als Chance zur Weiterentwicklung zu sehen.
Meiner Meinung nach fokussiert der Autor jedoch insgesamt zu sehr auf Menschen mit grossem beruflichem Erfolg, auf Menschen, die eine eindrückliche Karriere gemacht haben und nun mit dem unvermeidlichen Bedeutungsverlust hadern. Diese will er ansprechen und ihnen aufzeigen, dass nach der Phase des Erfolgs eine Phase der Erfüllung folgen kann und eine Stärke durch eine andere abgelöst werden kann. Ich würde diese Idee jedoch auf alle Menschen übertragen. Anstelle von „vom Erfolg zur Erfüllung“ würde ich den Gedanken eher als „vom Streben zur Erfüllung“ bezeichnen. Denn unabhängig davon, ob man erfolgreich ist oder nicht, widmet man sich in der ersten Lebenshälfte häufig dem Aufbau einer Existenz – beruflich wie privat.
Brooks spricht vom „Striver’s Curse“, dem Fluch der Menschen, die ihr Selbstwertgefühl vollständig an erbrachte oder erstrebte Leistungen koppeln. Irgendwann setzt ein Rückgang ein, Fähigkeiten, die einst selbstverständlich waren, schwinden – und mit ihnen oft auch das Gefühl von Bedeutung. Aus seiner Sicht geht es nicht darum, Ziele aufzugeben im Sinne einer Resignation, sondern darum, loszulassen und sich weiterzuentwickeln.
Ein wichtiger Gedanke für diese Weiterentwicklung ist die Unterscheidung von fluider und kristalliner Intelligen:
Fluide Intelligenz: Die Fähigkeit, schnell zu denken, Probleme zu lösen und kreativ zu kombinieren. Sie dominiert unsere Jugend und die frühen Phasen von Karrieren.
Kristallisierte Intelligenz: Die Weisheit, Muster zu erkennen, Erfahrungen weiterzugeben und Wissen zu verdichten. Sie wächst mit dem Alter.
Brooks plädiert dafür, bewusst vom ersten auf den zweiten Typ umzusteigen – also vom Macher zum Mentor, vom Performer zum Lehrer, vom Einzelkämpfer zum Sinnstifter zu werden. Wer diesen Übergang schafft, erlebt nicht Verlust, sondern neue Stärke.
Viele Menschen versuchen, das Nachlassen ihrer Leistungsfähigkeit durch „mehr“ zu kompensieren: mehr Arbeit, mehr Verpflichtungen, mehr Besitz. Brooks schlägt das Gegenteil vor. Subtraktion: weniger tun, aber bewusster; alte Rollen, Erwartungen und Ego-Konstrukte ablegen. So entsteht Raum für das, was wirklich trägt: Beziehungen, Werte und Spiritualität.
Diese Werte verschieben den Fokus vom „Ich“ zum „Wir“. Anstatt weiter nach äußerem Erfolg zu streben, geht es darum, Sinn zu finden.
Fazit
„From Strength to Strength“ ist kein klassischer Ratgeber, sondern eine Einladung zum Perspektivwechsel: Es zeigt, dass Glück nicht darin liegt, für immer jung, kreativ oder erfolgreich zu bleiben, sondern darin, rechtzeitig auf die zweite Kurve des Lebens umzusteigen – die der Weisheit, Werte und Gelassenheit. Wer diesen Übergang meistert, erlebt keine Schwäche, sondern eine neue Form der Stärke.
Brooks AC. From Strength to Strength: Finding Success, Happiness and Deep Purpose in the Second Half of Life. London Oxford New York New Delhi Sydney: Green Tree; 2023. 272 S.