Kognitives Training

Beim kognitiven Training wird die Verbesserung einer beeinträchtigten Hirnfunktion angestrebt. Innerhalb des kognitiven Trainings können verschiedene Formen unterschieden werden: Restitutionstraining, Kompensationstraining und integrative Verfahren.

Beim Restitutionstraining wird eine komplette oder teilweise Wiederherstellung einer beeinträchtigten Hirnfunktionsstörung angestrebt. Dies soll durch Stimulation erreicht werden. Dabei kann die Stimulation durch unspezifische Aktivierung oder durch gezieltes Training erfolgen. Allerdings haben Studien gezeigt, dass das gezielte Trainieren der beeinträchtigten Funktionen bessere Therapieerfolge erzielt. Häufig zum Einsatz kommt ein Training der Aufmerksamkeit, weil eine Einschränkung der Aufmerksamkeit bei den meisten Hirnerkrankungen vorliegt und Defizite in anderen Bereichen, z.B. dem Gedächtnis zur Folge hat.

Ziel des Kompensationstrainings ist es, Funktionen, die nicht wiederhergestellt werden können, durch gezielte Strategien zu kompensieren. Z.B. wird eine eingeschränkte Gedächtnisfunktion über Umwege wie Listen, Erinnerungen - auch digital mit dem Smartphone - verbessert.

Neben Restitution und Kompensation kommen auch integrierte Verfahren, d.h. psychotherapeutisch orientierte Verfahren zum Einsatz. Dabei geht es um Themen wie Krankheitsbewältigung, den Umgang mit bleibenden Defiziten und die Beratung von Angehörigen.

Gemäss den Leitlinien der deutschen Gesellschaft für neuropsychologische Diagnostik und Therapie haben sich computergestützte Therapieverfahren bewährt, welche spezifische Aufmerksamkeitsfunktionen in alltagsähnlichen Situationen trainieren.

 
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Ziel der computerbasierten Therapie kognitiver Defizite ist einerseits das Aufrechterhalten, andererseits wesentlich die Verbesserung und bestenfalls die Wiedererlangung des kognitiven Funktionsniveaus. Aufgrund der Adaptionsfähigkeit moderner Programme, wird auf Grundlage der Verhaltensdaten (Identifikation des Leistungsniveaus in der 1. Sitzung) das kontinuierliche Arbeiten an der individuellen Leistungsgrenze gewährleistet. Damit wird gesichert, dass weder eine Unter- noch Überforderung entsteht, was wiederum ein wichtiges Kriterium zur Aufrechterhaltung der Motivation darstellt. Zudem nutzt die Software alltagsnahe sowie benutzerfreundliche Paradigmen, um einen bestmöglichen Transfer der im Training verbesserten Funktionen in die im Alltag gestellten Anforderungen zu erreichen.

Vor Beginn des Trainings sollte eine ausführliche Diagnostik mittels einer neuropsychologischen Untersuchung, zur quantitativen als auch qualitativen Objektivierung der vorhandenen Defizite durchgeführt werden. Auf Basis dieser kann folglich ein auf die individuelle Problemstellung abgestimmtes Trainingsprogramm zur Gewährleistung eines effektiven Trainings und Verhinderung etwaiger negativer Trainingseffekte (bei inakkurat gewähltem Leistungsniveau) konzipiert werden. 

Das Training gliedert sich in wöchentlich 2-4 Trainingseinheiten à je 30 Minuten über eine Zeitdauer von mehreren Wochen. Evidenzbasiere Studien belegen, dass durch repetitives Üben der beeinträchtigen Gehirnfunktion(en) neuronale Netzwerke stimuliert und in Folge zur Restitution angeregt werden. Wenn möglich ist eine höhere Therapiefrequenz vorzuziehen, da bessere Effekte zu erwarten sind. Im Verlaufe der Therapie sowie bei Beendung erfolgt dann eine Evaluation des Trainingsfortschrittes inkl. (verkürzter) Verlaufstestung der beeinträchtigten Funktion(en). 

Das kognitive Training bewährt sich bei der Behandlung leicht- bis mässiggradiger kognitiver Defizite folgender Erkrankungen:

  • ADHS, Depressionen und Schizophrenie

  • Hirnschädigungen wie Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma

  • Leichte kognitive Defizite im Alter

Literatur

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  • Gauggel, S. (2000b). Organisationsformen und Therapiekonzepte für ambulante Behandlung hirngeschädigter Patienten . eine neuropsychologische Sichtweise. W.Frings & C. Wendel (Hrsg.), Ambulante Komplexbehandlung von hirnverletzen Patienten. München, Zuckschwerdt Verlag. 

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  • Sturm, W. et al. Computergestütztes Training spezifischer Aufmerksamkeitsfunktionen bei Patienten nach Schlaganfall oder Schädelhirntrauma: eine europäische multizentrische Effizienzstudie. Zeitschrift für Neuropsychologie 2003; 14(4), 283-292.

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  • Sturm, W. (2012). Diagnostik und Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen bei neurologischen Erkrankungen. In Leitlinien‚ Diagnostik und Therapie in der Neurologie’ der deutschen Gesellschaft für Neurologie, Kapitel Rehabilitation, Thieme Verlag. 

  • Clemens, B. et al. Comparison of MRI activation patterns for test and training procedures of alertness and focused attention. Restorative Neurology and Neuroscience 2013; 31(3), 311-336.