Gehirn & Geist verstehen
Wahrnehmung & Erleben
Wie wir die Welt mit unseren Sinnen wahrnehmen und subjektiv erleben
Denken und Handeln sind ohne die Wahrnehmung der Welt und ohne subjektives Erleben nicht vorstellbar. Wir sind keine Roboter, sondern empfindende Wesen. Genauso künstlich ist letztlich die Trennung von Denken, Handeln und Fühlen. Sie ist lediglich eine Hilfe, um die Teilaspekte besser zu verstehen.
Wahrnehmung
Zur Wahrnehmung gehört:
1) dass wir die Informationen, die wir mit unseren Sinnen aufnehmen, zu einem Gesamteindruck verarbeiten, und
2) dass wir diesem Gesamteindruck einen ‘Sinn’ verleihen.
Die Sinnesreize können dabei sowohl aus der Umwelt als auch aus dem Körperinnern stammen.
Die Wahrnehmung der Aussenwelt bezeichnet man als ‘Exterozeption’ und geschieht über die fünf Sinne Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Fühlen. Kommen die Sinnesreize aus dem Inneren, so spricht man von ‘Interozeption’ und unterscheidet zwischen der Wahrnehmung der eigenen Gliedmassen (Propriozeption) und der inneren Organe (Viszerozeption).
Die Verarbeitung der einzelnen Sinneseindrücke zu einem subjektiven Gesamteindruck ist kompliziert und umfasst viele Hirnareale. Dabei handelt es sich nicht um einen reinen „Bottom-up“-Prozess (von unten nach oben, von den Sinnesorganen zum Geist). Der Abgleich der eingehenden Informationen mit Vorerfahrungen sowie die emotionale Bewertung führen zu Erwartungen in Bezug auf das wahrgenommene Ereignis. Diese Erwartungshaltung führt dann ihrerseits über sogenannte „Top-down“-Prozesse (von oben nach unten, vom Geist zu den Sinnesorganen) dazu, dass wir jene Aspekte vorrangig wahrnehmen, die „in das Bild passen“. Fahren wir beispielsweise in einer regnerischen Nacht Auto, so kommt es vor, dass wir meinen, die Silhouette eines Menschen am Straßenrand wahrzunehmen. Wir konzentrieren uns darauf und achten darauf, was die Person macht. Wir sehen sie immer klarer – um im letzten Moment zu realisieren, dass es sich nur um einen Busch handelt.
Störungen der Wahrnehmung können entsprechend auf verschiedenen Ebenen entstehen. Sowohl eine Erkrankung des Auges als auch eine Gehirnerkrankung im Bereich der Sehrinde – das Hirnareal, in dem die Informationen aus den Augen verarbeitet werden – können zu einer Sehstörung oder sogar zu Blindheit führen.
Erleben
Ein grosser Teil unserer Wahrnehmung läuft unbewusst ab. Das heisst, wir werden uns nicht aller Aspekte unserer Außssen- und Innenwelt bewusst. Wenn wir uns jedoch eines Sinneseindrucks bewusst werden, dann „erleben” wir ihn. Dieses Erleben wird von Emotionen begleitet und ist subjektiv. Wir können es bei unseren Mitmenschen aufgrund von körperlichen Reaktionen (z. B. Erröten, Lachen) oder Verhaltensweisen (z. B. Verstummen, lebhafte Gestik) vermuten und versuchen, es uns vorzustellen. Doch wir werden nie mit Sicherheit wissen können, was sie tatsächlich erleben.