Was Meditation im Gehirn bewirkt

Dass die Praxis der Meditation zu besserer Konzentration bei gleichzeitig mehr Gelassenheit verhelfen kann, wird in verschiedenen Religionen, spirituellen Praktiken und seit einigen Jahren auch in der Psychotherapie genutzt. In den letzten 10 bis 20 Jahren wurde zudem viel geforscht über die Abläufe im Gehirn bei der Meditation und die Veränderungen im Gehirn bei viel Meditationserfahrung. Kenntnisse über Hirnzustände während der Meditation werden auch therapeutisch genutzt: «computergestützte Meditation», also Neurofeedback bzw. Neuromeditation. Viele Resultate sind jedoch widersprüchlich und es ist schwierig, sich ein konsistentes Bild zu machen. Dafür dürfte es verschiedene Gründe geben. Einerseits gibt es unterschiedlichste Meditationsformen, andererseits werden diese mit verschiedensten Methoden untersucht wie funktioneller Bildgebung oder EEG-basierten Techniken.

 
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Es können drei Hauptformen der Meditation unterschieden werden: Konzentrationsmeditation, Achtsamkeitsmeditation und Mitgefühlsmediatation. Bei der Konzentrationsmeditation wird geübt, mit der Aufmerksamkeit auf einem Gegenstand zu bleiben. Die Achtsamkeitsmeditation hat zum Ziel, an keinem Gedanken, Gefühl oder Sinneseindruck haften zu bleiben, sondern ein offenes Gewahrsein zu üben. Die letzte Meditationsform ist diejenige des Mitgefühls, d.h. der liebevollen Anteilnahme. Zu allen Formen gibt es neurowissenschaftliche Untersuchungen. Dabei gibt es Arbeiten, die untersuchen, wie sich die Gehirnaktivität während der Meditation ändert und andere, die sich mit strukturellen Änderungen im Gehirn bei sehr geübten Meditierenden befassen.


Gehirnaktivität während der Meditation

In ihrer Arbeit von 2012 konnten Hasenkamp et al zeigen, welche Hirnareale während der Konzentrationsmeditation aktiviert sind bzw. wie sich die Aktivierung ändert, je nachdem, ob die Meditierenden konzentriert sind, abschweifen oder sich gerade des Abschweifen bewusst werden.

Ist der Fokus auf die Atmung gerichtet, so ist der dorsolaterale Präfrontalkortex, ein wichtiger Knotenpunkt des zentralen exekutiven Netzwerks (CEN) aktiviert. Beim Abschweifen und damit ‘Mind Wandering’ wird das Default Mode Network (DMN) aktiviert. Wird sich die Meditierende des Abschweifens bewusst, so kann eine Aktivierung des Salience Networks (SN) nachgewiesen werden, bevor dann die Aufmerksamkeit wieder auf den Atem gelenkt wird, wobei beim Loslassen vom ‘Mind Wandering’ auch der posterirre Parietallappen aktiviert wird:

Meditation und Hirn.png

Diese Untersuchung ist auch deshalb so schön, weil sie einen konsistenten Zusammenhang zwischen Erleben in der Meditation, theoretischen Überlegungen und physiologischen Veränderungen im fMRI aufzeigt.

Die Befunde bei EEG-Untersuchungen sind insgesamt wenig konsistent. Dies dürfte mehrere Gründe haben. Zum einen besteht eine nicht unerhebliche Variabilität z.B. der EEG-Grundaktivität zwischen verschiedenen Menschen. Zum anderen bildet das an der Oberfläche abgeleitete EEG die elektrische Aktivität des ganzen Gehirns ab und nicht nur der für das Bewusstsein notwendigen Aktivitäten. Wiederholt berichtete Resultate sind eine weit über das Gehirns ausgebreitete Synchronizität einerseits von Alpha- und andererseits von Gamma-Wellen. Erstere - im Bereich von 8 bis 12 Hz - treten bei entspannter Wachheit, v.a. bei geschlossenen Augen auf. Letztere werden mit hoher Konzentration in Verbindung gebracht. Auch geht man davon aus, dass wir z.B. einen Gegenstände trotz verschiedener Eigenschaften dann als Einheit wahrnehmen, wenn die verschiedenen Hirnregionen, die die einzelnen Eigenschaften verarbeiten, eben im Gamma-Bereich synchronisiert sind.

Diese Erkenntnisse helfen, die Vorgänge im Gehirn bei einer Konzentrationsmeditation in einem intuitiv erfassbaren Modell zu beschreiben. Durch das bewegungslose Sitzen mit geschlossenen Augen und damit minimalen Sinneseindrücken wird eine kortikale synchrone Alpha-Aktivität begünstigt als Ausdruck von wenig Beschäftigung mit dem Aussen. Dadurch wird das Tagträumen begünstigt (Aktivierung des Default Mode Network). Nun wird aber geübt, dies schnell zu erkennen (Aktivierung des Salience Network) und die Aufmerksamkeit wieder auf das Objekt der Konzentration auszurichten (Aktivierung des Central Executive Networks). Ausdruck hoher Konzentration auf einen Gegenstand ist dann eine synchrone Gamma-Aktivität. Wichtig ist aber auch, dass der Meditierende nicht einschläft. Dies wird z.B. in der buddhistischen Tradition durch die bekannte aufrechte Sitzposition erreicht.

Das Tagträumen bei AD(H)S und auch das Grübeln bei Depressionen werden mit einem verstärkt aktivierten Default Mode Network in Zusammenhang gebracht. Bei beiden Störungen hilft Meditation, was anhand des eben beschriebenen Modells verstanden werden kann: Die Aktivität des Default Mode Networks wird vermindert und damit auch das Tagträumen und Grübeln.

Langfristige Veränderungen im Gehirn

Eine wichtige Erkenntnis der Neurowissenschaften ist die Neuroplastizität: Das Gehirn ändert sich dauernd und zwar nicht nur bzgl. seiner Aktivität sondern auch bzgl. seiner Architektur und Konnektivität. Dies geschieht als Reaktion auf die Anforderungen, die die Bewältigung des Alltags stellt. Neuronale Schaltkreise werden gestärkt oder geschwächt, neuronale Netzwerke werden neu geeicht.

Über diese neuroplastischen Prozesse wird damit auch die Konnektivität und die Struktur des Gehirns durch regelmässiges Meditieren verändert. Verschiedene Studien konnten Veränderungen in der Aktivität oder Struktur nachweisen. Kritisch ist allerdings zu bemerken, dass bei manchen Resultaten nicht sicher ist, ob die Veränderungen durch die Meditation zustande kamen oder aber ob die anatomischen Eigenschaften vorbestehend waren und im Sinne einer Selbstselektion zum regelmässigen Praktizieren begünstigen.

Bei der Aufmerksamkeitsmeditation konnten folgende Veränderungen nachgewiesen werden, welche auch zu den Beobachtungen der oben beschrieben Untersuchung von Hasenkamp et al passen:

  • der anteriore cinguläre Kordel (ACC) (Ignorieren von Ablenkungen, kognitive Kontrolle) wird nach langjährigem Praktizieren stärker aktiviert

  • das Default Mode Network (DMN) ist bei Menschen mit viel Meditationspraxis vermindert aktiviert

  • der präfrontale Kortex (Zielsetzung, Verhaltenssteuerung) ist dicker

Auch regelmässiges Achtsamkeitstraining führt zu Veränderungen. Zeigen gestresste Menschen eine stärkere Konnektivität zwischen Amygdala und dem subgenulaen cingularen Kortex, so reduziert Achtsamkeitstraining diese Konnektivität. Bei Schmerzpatienten konnte eine stärkere Aktivierung des Thalamus und verminderte Aktivität von Schmerz bewertenden Hirnregionen nachgewiesen werden. Und auch beim Achtsamkeitstraining konnte eine Zunahme der Dichte der grauen Substanz des Hippokampus, des posterioren cingulären Kortex und des temporo-parietalen Übergangs gefunden werden.

Literatur

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