"Was ist Leben? - Die fünf Antworten der Biologie" von Paul Nurse

 
Nurse+Was+ist+das+Leben.jpg
 
 

Paul Nurse

Was ist Leben? Die fünf Antworten der Biologie

Paul Nurse beginnt sein Buch, indem er auf Schrödingers berühmtes Buch von 1944 “What is Life” Bezug nimmt. Dieser fragte u.a., wie Leben möglich ist in einem Universum, welches sich gemäss dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik zum Chaos hin entwickelt und stellte Überlegungen zur Struktur der Gene an, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war. Er stellte mehr Fragen als er Antworten gab. Letzte Antworten habe ich im Buch von Paul Nurse nicht erwartet, dennoch hat mich die Lektüre - gerade verglichen mit derjenigen Schrödingers Buch - insgesamt enttäuscht. ‘Die fünf Antworten der Biologie’ stellt in erster Linie eine Zusammenfassung der aktuellen Erkenntnisse zu fünf wichtigen Themen dar. Dabei finden sich aber sehr wohl viele Facts, die ich vergessen oder in ihrer ganzen Bedeutung für das aktuelle Verständnis nicht richtig erfasst habe.

Die Zelle: Die Entdeckung der Zelle durch Robert Hook 1665 und die rasche Entwicklung des Verständnisses des Lebens in der Folge.- Virchows ‘Omnis cellula e cellula' (jede Zelle entsteht aus einer Zelle) als Aussage gegen noch im 19. Jahrhundert vertretene Thesen, Leben entstehe spontan aus lebloser Materie.

Das Gen: Der gewaltige Fortschritt im Verständnis der Vererbung von Mendel bis zum Human Genome Project.- Die Identifizierung des cdc2-Gens durch den Autor und das Verständnis, wie die Zellteilung gesteuert wird.

Evolution durch natürliche Selektion: Von der Uhrmacher-Analogie von William Parey (Der Vergleich der Welt mit einer Uhr, welche von einem Uhrmacher gemacht sein muss, so komplex wie sie ist; 1802) zu Darwins ‘Origin of Species by means of Natural selection’.- Bereits der Grossvater Darwins hatte als Slogan: ‘E conchis omina’ (Alles aus den Muscheln).- Von der Hefe bis zum Menschen finden sich seit 1000 Mio Jahren konservierte Gene! Neben unserer ‘Verwandtschaft’ mit der Hefe ist die Genauigkeit der DNS-Replikation über eine Milliarde Jahre erstaunlich!

Leben als Chemie: Die Zelle, innerhalb derer - geschützt durch eine Membran - tausende von Reaktionen auf kleinstem Raum in Bruchteilen von Sekunden ablaufen. Dies im Gegensatz zur Weite des Kosmos und zur Evolution, die sehr langsam, über Jahrmillionen abläuft.

Leben als Information: Von der Information äusserer und innerer Zustände zur Bedeutung und von da zur inneren Homöostase und zum zweckmässigen Verhalten.- Die Epigenetik als Gedächtnis auf zellulärer Ebene: Das Ein- und Ausschalten von Genen als Speicherung von Erfahrung auf zellulärer Ebene.

Im Zusammenhang mit Überlegungen zur immer komplexeren Organisation des höheren Lebens und der Entstehung von Redundanzen und dem Mitführen alter Lösungen im Rahmen der Evolution zitiert er ein wunderbares Bonmot des Entwicklungsbiologen Sydney Brenner: “Mathematik ist die Kunst des Vollkommenen. Physik die Kunst des Optimalen. Biologie ist, infolge der Evolution, die Kunst des Zufriedenstellenden.”

Zum Schluss des Buches komprimiert Paul Nurse dann diese fünf Antworten auf ‘seine’ drei Prinzipien zur Definition des Lebens:

  • Die Fähigkeit, mittels natürlicher Selektion zu evolvieren: lebende Organismen müssen sich reproduzieren können und ein Vererbungssystem haben, das eine Variabilität aufweist.

  • Lebensformen sind abgeschlossene, physikalische Gebilde, von der Umgebung abgegrenzt, jedoch mit dieser kommunizierend.

  • Lebewesen sind chemische, physikalische und informationsverarbeitende Maschinen, die durch die Verarbeitung von Information koordiniert und reguliert werden mit dem Erfolg, dass sie als zweckmässige Ganzheit operieren.

Insgesamt also eine interessante Zusammenfassung, für den naturwissenschaftlich nicht vorgebildeten Leser wahrscheinlich teilweise schwer verständlich und für den Vorgebildeten wenig Inspirierendes.


Nurse P. Was ist Leben?: Die fünf Antworten der Biologie. 1. Aufl. Berlin: Aufbau Verlag; 2021. 184 S.