Transkranielle Pulsstimulation (TPS) zur Behandlung der Alzheimer-Demenz

Bei der Transkraniellen Pulsstimulation wird das Gehirn mit Schallpulsen stimuliert. Diese Stimulation ist wie auch die tDCS und die rTMS nicht-invasiv; die Schallwellen dringen durch Haut und Schädeldecke, ohne dabei Verletzungen zu verursachen.

Für Patientinnen und Patienten ist die TPS sicher und unkompliziert. Die Behandlung wird ambulant durchgeführt. Eine Rasur des Schädels ist nicht erforderlich. Die optimale Übertragung der Schallpulse wird durch das Auftragen eines Ultraschallgels auf die Kopfhaut bzw. Haare erreicht. Während der Behandlung wird das Handstück des Simulators sanft über die Kopfhaut bewegt, um die gewünschten Hirnregionen zu stimulieren..

Die Behandlung wird an 6 Tagen, verteilt über 2 Wochen durchgeführt. Jede Therapie-Sitzung dauert etwa 30 Minuten. Bei gutem Ansprechen werden als Erhaltungstherapie 4 weitere Sitzungen alle 6 Wochen geplant. Frühestens nach weiteren 6 Monaten - ein Jahr nach Behandlungsbeginn - kann die Behandlung wieder mit 6 Sitzungen innerhalb von zwei Wochen begonnen werden.

 
 

Physik

Fälschlicherweise wird bei der TPS auch von einer Ultraschallbehandlung gesprochen. Bei den Stosswellen handelt es sich zwar um Schallwellen, im Gegensatz zum Ultraschall mit periodischen Schwingungen stellen die Stosswellen jedoch einzelne Pulse mit hoher Druckamplitude dar. In der Alltagserfahrung entsprechen sie explosionsartigen Vorgängen wie Detonationen, Blitzschlägen oder dem Durchbrechen der Schallmauer durch ein Flugzeug. Es wird dabei kurzzeitig Energie übertragen.

 
 

Somit unterscheidet sich die Stosswellentherapie auch von der transkraniellen fokussierten Ultraschallstimulation (tFUS), welche auch zur Behandlung tiefer Hirnstrukturen z.B. bei der Alzheimer-Krankheit eingesetzt wird (4).

 
 

Für medizinische Anwendungen werden fokussierte Stosswellen benötigt. Diese können auf verschiedene Art und Weise erzeugt werden. Für die TPS mit dem Neurolith® werden sie elektromagnetisch erzeugt. Das Verfahren beruht auf der elektromagnetischen Induktion. Wie bei Lautsprechern werden durch eine spezielle Anordnung von Spulen und Membranen kurze akustische Impulse erzeugt und dann mit Hilfe eines Reflektors fokussiert abgegeben.

 
 

Bei der TPS werden alle 200 bis 250 ms (4-5 Hz) Stosswellen (3 ms) Dauer erzeugt, um das Hirngewebe zu stimulieren. Der Schädel absorbiert dabei 70% der Energie, zu einer Streuung kommt es aber nicht. Mit dem Neurolith® können die Gehirnregionen bis zu 8 cm tief stimuliert werden. Bei einer applizierten Energie von 0.2 mJ/mm2 wird die Gefahr einer Gewebserwärmung und damit eines Gewebeschadens verhindert. Ein Infrarot-Kamera-System erlaubt das Echtzeit-Tracking der Handstückposition (Transducer), womit durch die Verwendung der persönlichen MRI-Daten automatisch sichtbar wird, welche Region behandelt wird. In jeder Sitzung werden dann neben dem Precuneus auch der frontale, temporale und parietale Kortex stimuliert, um alle wichtigen ausgedehnten funktionellen Netzwerke zu behandeln.

 
 

Biologische Wirkung

Die Mechanotransduktion, d.h. wie Schallstosswellen zu biologischen Effekten führen, ist bis anhin nur teilweise verstanden. Mechanosensitive Ionenkanäle dürften dabei eine Schlüsselrolle spielen (5). Indem sie zu einer Erhöhung der Zellpermeabilität (6) führen, kommt es zu einer Änderung der Konzentration von Neurotransmittern (Erhöhung Serotonin und Dopamin, Verringerung GABA) und neurotrophen Wachstumsfaktoren (Erhöhung VEGF, BDNF und GDNF).

 
 

Durch die Stimulation des vaskulären Wachstumsfaktors VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) (7) (8) kommt es zur Bildung von neuen Blutgefässen (Neoangiogenese) und damit zu einer Verbesserung der Gehirndurchblutung.

Weiterhin wird auch Stickoxid (NO) freigesetzt (9), welches zu einer direkten Vasodilatation und damit zu einer Erhöhung der Durchblutung führt. Zudem dürfte eine Regulationsstörung der Stickoxid-Konzentration bei neurodegenerativen bzw. neuroregenerativen Prozessen involviert sein (10).

Die Konzentration des Wachstumsfaktors BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) wird ebenfalls erhöht durch die Stosswellen (11). Dieser spielt eine grosse Rolle bei der Entwicklung und Reifung, aber auch bei der Regeneration von Nervenzellen sowie bei der Neuroneogenese und Neuroplastizität im Gehirn. Darüber hinaus konnte eine Korrelation von tiefen BDNF-Konzentrationen im Gehirn und neuropsychiatrischen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit, der bipolaren affektiven Störung und auch der Schizophrenie gezeigt werden.    

Der Nachweis, dass die Schallstosswellen zu einer Hochregulation neuroplastischer Prozesse führen, konnte dadurch erbracht werden, dass nach Stimulation des sensorischen Kortex noch nach einer Woche eine strukturelle und funktionelle Kopplung innerhalb des somatosensorischen Kortex nachgewiesen werden konnte (12). Zudem konnte eine Reduktion der kortikalen Atrophie bei Patientinnen und Patienten mit Alzheimer-Demenz nachgewiesen werden (13).

Wenn auch grosse Placebo-kontrollierte Studien noch ausstehend sind, die den Nutzen der TPS auch bzgl. des Langzeitverlaufs bei der Alzheimer-Demenz untersuchen, so sind die bis anhin vorliegenden Forschungsresultate vielversprechend.

Literatur 

  1. Beisteiner R, Lozano A. Treating the brain at the speed of sound. Brain Stimulat. August 2020;13(4):1087–8. 

  2. Beisteiner R, Matt E, Fan C, Baldysiak H, Schönfeld M, Philippi Novak T, u. a. Focal Brain Therapy: Transcranial Pulse Stimulation with Ultrasound in Alzheimer’s Disease—A New Navigated Focal Brain Therapy (Adv. Sci. 3/2020). Adv Sci. Februar 2020;7(3):2070017. 

  3. Matt E, Dörl G, Beisteiner R. Transcranial pulse stimulation (TPS) improves depression in AD patients on state-of-the-art treatment. Alzheimers Dement N Y N. 2022;8(1):e12245. 

  4. Jeong H, Im JJ, Park JS, Na SH, Lee W, Yoo SS, u. a. A pilot clinical study of low-intensity transcranial focused ultrasound in Alzheimer’s disease. Ultrason Seoul Korea. Oktober 2021;40(4):512–9. 

  5. d’Agostino MC, Craig K, Tibalt E, Respizzi S. Shock wave as biological therapeutic tool: From mechanical stimulation to recovery and healing, through mechanotransduction. Int J Surg Lond Engl. Dezember 2015;24(Pt B):147–53. 

  6. López-Marín LM, Rivera AL, Fernández F, Loske AM. Shock wave-induced permeabilization of mammalian cells. Phys Life Rev. November 2018;26–27:1–38. 

  7. Yahata K, Kanno H, Ozawa H, Yamaya S, Tateda S, Ito K, u. a. Low-energy extracorporeal shock wave therapy for promotion of vascular endothelial growth factor expression and angiogenesis and improvement of locomotor and sensory functions after spinal cord injury. J Neurosurg Spine. Dezember 2016;25(6):745–55. 

  8. Hatanaka K, Ito K, Shindo T, Kagaya Y, Ogata T, Eguchi K, u. a. Molecular mechanisms of the angiogenic effects of low-energy shock wave therapy: roles of mechanotransduction. Am J Physiol Cell Physiol. 1. September 2016;311(3):C378-385. 

  9. Mariotto S, Cavalieri E, Amelio E, Ciampa AR, de Prati AC, Marlinghaus E, u. a. Extracorporeal shock waves: from lithotripsy to anti-inflammatory action by NO production. Nitric Oxide Biol Chem. März 2005;12(2):89–96. 

  10. Ledo A, Lourenço CF, Cadenas E, Barbosa RM, Laranjinha J. The bioactivity of neuronal-derived nitric oxide in aging and neurodegeneration: Switching signaling to degeneration. Free Radic Biol Med. Januar 2021;162:500–13. 

  11. Wang B, Ning H, Reed-Maldonado AB, Zhou J, Ruan Y, Zhou T, u. a. Low-Intensity Extracorporeal Shock Wave Therapy Enhances Brain-Derived Neurotrophic Factor Expression through PERK/ATF4 Signaling Pathway. Int J Mol Sci. 16. Februar 2017;18(2):E433. 

  12. Matt E, Kaindl L, Tenk S, Egger A, Kolarova T, Karahasanović N, u. a. First evidence of long-term effects of transcranial pulse stimulation (TPS) on the human brain. J Transl Med. 15. Januar 2022;20(1):26. 

  13. Popescu T, Pernet C, Beisteiner R. Transcranial ultrasound pulse stimulation reduces cortical atrophy in Alzheimer’s patients: A follow‐up study. Alzheimers Dement Transl Res Clin Interv [Internet]. Januar 2021 [zitiert 12. Februar 2022];7(1). Verfügbar unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/trc2.12121

  14. Koch G, Bonnì S, Pellicciari MC, Casula EP, Mancini M, Esposito R, u. a. Transcranial magnetic stimulation of the precuneus enhances memory and neural activity in prodromal Alzheimer’s disease. NeuroImage. April 2018;169:302–11.